Schnittkonstruktion um 1850- Kostüme und Schnitte vor der Industrialisierung

Die Bücher von Carl Köhler und Emma von Sichart stellen wichtige Zeitdokumente dar und ermöglichen uns den Einblick in vorindustrielle Techniken.

Das 1926 erschienene Buch Praktische Kostümkunde in 600 Bildern und Schnitten von Emma von Sichart, betrachtet Kostümkunde und Schnitt vom Altertum bis zum Jahr 1870. Es ist die Neubearbeitung der 1871 erschienenen Buchreihe Die Trachten der Völker in Bild und Schnitt von Carl Köhler, die um Fotografien bereichert wurde.

Carl Köhler

Köhler stellt die Schnittgeometrie im Koordinatensystem dar, sodass sich die Schnittmuster leicht nachzeichnen lassen oder zumindest ein Bild von den Dimensionen des Modells vermittelt wird. Ein Bezug zu einem Konfektionsgrößen-System besteht natürlich noch nicht.

Emma von Sichart

Im Vorwort des 1926 erschienenen Buches Praktische Kostümkunde in 600 Bildern und Schnitten von Emma von Sichart, lobt sie das verzweigte Wissen Carl Köhlers auf dem Gebiete der Anfertigung und seine Kenntnis von Technik und Schnitt.

Über den Einfluss der Nähmaschine bemerkt Sichart: „…Deutlich tritt hier…der unheilvolle Einfluss der Nähmaschine gegenüber der gepflegten Handarbeit zutage. Um das Jahr 1859 hatte die Nähmaschine nach und nach die Handarbeit verdrängt, und mit Bedauern ist zu bemerken, dass die Herrenanzüge dieser Epoche im Gegensatz zu den sorgfältig gearbeteten Formen früherer Zeiten einen ziemlich trostlosen Eindruck machen…“

Gebrüder Klemm: Schnittkonstruktion 1846

Das Werk Vollständiges Lehrbuch der modernen Zuschneidekunst und Bearbeitung sämtlicher Herrenkleider, von Carl und Heinrich Klemm, ist nur 110 Seiten stark. Die Methode nimmt für sich in Anspruch, 36 Größen und über 60 verschiedene „Körperconformationen“ präzise berechnen zu können. Die Methode wird als „französiche Zuschneidemethode“ bezeichnet, die fortschrittlicher als die deutsche sei.

Das Lehrbuch der Gebrüder Klemm kommt ohne Anatomieteil, Körpermaßtabellen und Gradiersystem aus und verbindet erprobtes Fachwissen mit fortschrittlichen Ideen. Der Schnitt wird auf der Grundlage der Körpermaße eines Kunden berechnet. Das System ermöglicht es, die auf den Tafel abgebideten Schnitte, mit Hilfe eines „Reductions-Schemas“ in andere Größen zu übersetzen.

Die unterschiedlichen Hosen-Modelle werden in Lection 8 beschrieben. Die Bügelfalte kam erst ein halbes Jahrhundert später.

Wir erfahren etwas über die „neue Klasse der Bürger“, die mit der Industrialisierung entsteht: „…Denn schon jetzt läßt die wohlhabendere Klasse der Bürger…nicht mehr in ihrem Orte, sondern in den Großstädten arbeiten…“

Über die bestehenden Verfahren der Schnittkonstruktion erfahren wir: „…Es ist überhaupt ein sehr unbegründetes Vorurteil vieler deutschen Kleidermacher, die der Meinung sind, dass die französische Zuschneidemethode viel schwieriger und umständlicher sei, als die älteren deutschen Drittelsberechnungen, was aber gerade das Gegentheil ist. Welchen Vorteil bietet nicht schon das jetzige Maaßnehmen mit dem Centimetre, gegen das Frühere mit dem Papierstreifen…“

Das Lehrbuch der Gebrüder Klemm kommt ohne Anatomieteil, Körpermaßtabellen und Gradiersystem aus und verbindet erprobtes Fachwissen mit fortschrittlichen Ideen. Der Schnitt wird auf der Grundlage der Körpermaße eines Kunden berechnet. Das System ermöglicht es, die auf den Tafel abgebideten Schnitte, mit Hilfe eines „Reductions-Schemas“ in andere Größen zu übersetzen.

Die unterschiedlichen Hosen-Modelle werden in Lection 8 beschrieben. Die Bügelfalte kam erst ein halbes Jahrhundert später.

Franz Farl: Schnittkonstruktion 1856

Das Werk Neueste praktische Zuschneidekunst für Herrenkleidermacher, Franz Farl, ist 35 Seiten stark, davon nur 8 Seiten Text. Farl erklärt das Maßnehmen und Einstellen der Schnitte nach ganz ähnlichen Regeln wie die Gebrüdern Klemm.

Farls Buch ist vermutlich nicht als Lehrbuch gedacht, sondern als Katalog modischer Schnittformen, die von Schneidern, die das System beherrschen, als Maßarbeit angeboten werden können.